Rundbrief Juli 2023
Liebe Leserinnen und Leser
des Rundbriefs der Ulmer GRÜNEN
Fraktion,
jahrelang haben wir uns in
Ulm für mehr Fußgängerzonen
eingesetzt. An der
Gemeinderatssitzung am 19. Juli
2023 hat schließlich die Mehrheit
dafür gestimmt, die
Herrenkellergasse,
Dreikönigsgasse, Rabengasse, Teile
des Marktplatzes, die
Schuhhausgasse und die
Paradiesgasse den zu Fuß Gehenden
unserer Stadt zum Schlendern,
Spazierengehen, im Café sitzen und
gemütlich Einkaufen zu widmen. Wir
freuen uns sehr über die
Ausweitung der Fußgängerzonen und
mehr Aufenthaltsqualität in der
Ulmer Innenstadt!
Der Abstimmung im Gemeinderat
vorausgegangen waren intensive
Gespräche und Diskussionen mit
Anliegerinnen und Anliegern der
betreffenden Straßen, mit der
interessierten Stadtgesellschaft
und mit den anderen
Gemeinderatsfraktionen.
Folgende Argumente für die
Ausweitung der Fußgängerzonen
hatten dabei hohen Stellenwert für
uns:
• Am Beispiel Herrenkellergasse
sieht man, wie unverhältnismäßig
viel öffentlicher Raum für Pkws
dort verwendet wird, wobei viel
mehr Menschen per Rad und zu Fuß
unterwegs sind. So wurden an einem
Samstag 388 Pkw auf 2.700
Radfahrende und 13.873 Menschen,
die zu Fuß unterwegs sind,
gezählt.
• Vor allem der Parksuchverkehr
belastet Anwohnerinnen und
Besucher der Altstadt. Solange
aber noch ein Angebot an
Parkplätzen an diesen Stellen in
der Innenstadt vorhanden ist, wird
sich das Problem nicht lösen
lassen. Deshalb war der Vorschlag
der Stadtverwaltung, nur die
Parkplätze aufzuheben, eben keine
Lösung. Das zeigt auch
eindrucksvoll die Situation an den
Säulen hinter dem Münster. Dort
gilt nämlich schon seit Jahren ein
Parkverbot, doch das beeindruckt
nur herzlich wenig Menschen. Die
einzige Chance dem beizukommen,
ist die Ausweisung einer
Fußgängerzone, womit das
Falschparken unangenehm teuer
wird.
• Rund um die Altstadt wurde mit
viel Geld Parkhäuser errichtet.
Die stehen allen Besucherinnen und
Besucher der Stadt zur Verfügung,
aber die Altstadtgassen müssen
kein Parkplatz sein - dafür sind
sie zu schön und wertvoll.
• Ohne parkende Autos in den
Altstadtgassen entsteht Platz für
Bäume und kühlendes Grün - gerade
in den immer heißer werdenden
Sommern wird das immer wichtiger.
• Eine höhere Aufenthaltsqualität
lockt mehr Gäste in die Gassen und
Straßen und davon profitiert dann
auch der Handel.
Mit dieser guten Nachricht geht
die Grüne Fraktion jetzt in die
Sommerpause. Weitere Informationen
zu unseren Initiativen, unseren
Gemeinderatsanträgen und unserer
Arbeit am Ulmer Ratstisch finden
Sie, wie gewohnt, in unserem
Rundbrief für Sie
zusammengestellt.
Wir wünschen Ihnen viel Freude
beim Lesen.
Mit Herzlichen Grüßen
Die GRÜNE Fraktion
G’schwind auf dem Weg noch einen Döner mitnehmen, die Pizza an der Donauwiese genießen, den Iced Latte Macchiato beim Schlendern trinken, das Burgermenü als Grundlage vor der Partynacht oder den Salat zum Mittagessen ins Büro mitnehmen - die to-go-Kultur boomt und das nicht erst seit der Pandemie. Was übrig bleibt sind Verpackungsmüll, überquellende Abfalleimer, die den Mengen nicht mehr gewachsen sind und eine zunehmend dreckige Stadt.
Klar, Einwegverpackungen für Essen oder Getränke to-go sind praktisch, nichts zum Abspülen daheim, keine Pfandbecher, die geduldig darauf warten, dass sich mal irgendjemand erbarmt und sie wieder zum Coffeeshop mitnimmt, sondern nach dem Essen kann alles direkt in den öffentlichen Abfalleimer, denn um die Entsorgung all dieses Mülls kümmert sich ja eh jemand anders. Stimmt. Nämlich wir alle. Die Stadtreinigung und die Müllentsorgung in Ulm finanzieren wir mit unseren Gebühren und Steuern und die Kosten dafür steigen ebenso wie das Müllaufkommen von Jahr zu Jahr. Dabei gibt es sie ja, die Alternativen. Inzwischen sind alle Gastronomiebetriebe dazu verpflichtet ein Pfandsystem anzubieten, doch das verstaubt in aller Seelenruhe hinter den Tresen, denn die Wahrheit ist simpel: wir alle sind faul und Einwegverpackungen sind einfach unkomplizierter als Pfandsysteme. Daran ändern auch die bestgemeintesten und bestgemachtesten Informationskampagnen nichts, denn Bequemlichkeit schlägt das Gewissen einfach in 99% der Fällen. Das ändert sich erst, wenn wir ein Preisschild dranhängen, also die etwas umständlicheren Mehrwegsysteme günstiger sind als die Einwegverpackungen, weil auf die eine Steuer fällig wird. Fair ist das allemal, denn die Entsorgung der Verpackungen wird am Ende ja auch mit Steuern finanziert. Tübingen hat’s vorgemacht und Anfang 2022 eine solche Verpackungssteuer auf Einweggeschirr eingeführt. Eine Klage dagegen ist kürzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert und die Stadt hat recht bekommen. Eine solche Steuer ist genau das richtige Instrument, denn sie ist eben kein verbot, sondern funktioniert nach dem Verursacherprinzip: wer für mehr Müll sorgt, der zahlt eben auch für dessen Entsorgung. Verpackungen und Geschirr besteuert Tübingen dabei mit 50 Cent und Besteck mit 20 Cent, pro Einzelmahlzeit jedoch maximal 1,50 Euro. Zahlen müssen alle, die Essen oder Getränke zum mitnehmen in nicht wiederverwendbaren Verpackungen verkaufen. Also die betriebe, die das jedoch in der Regel an die Kunden weitergeben, die eben nicht die Mehr- sondern das Einwegverpackung wünschen. Gleichzeitig bezuschusst Tübingen die Einführung von Mehrweggeschirr und Spülmaschinen, eine runde Sache also.
Begeistert sind die Gastronomen dennoch nicht, ganz besonders diejenigen, die gar kein Mehrweggeschirr anbieten, wie die bekannt Fastfoodketten, die auch gegen die Tübinger Verpackungssteuer geklagt hatten. Aber für viele andere gilt: vielleicht siegt ja die Faulheit der Menschen weiterhin und statt Essen to-go mitzunehmen, wird die Pizza dann eben im Restaurant verzehrt. Häufig trinken die Gäste dann auch noch etwas dazu und schon steigen Umsatz und Gewinn für die Gastronomie.
Auch in Ulm ist im Sommer Hochsaison für den Müll und insbesondere die Einwegverpackungen. Warum also nicht mit einer Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild hier Abhilfe schaffen? Die Stadt wäre sauberer, die Entsorgungsbetriebe hätten weniger zu tun, die Umwelt würde geschützt und wir alle finanziell entlastet.
Am liebsten kommuniziert die GRÜNE Fraktion die zahlreichen Erfolge, die sie mit ihren Initiativen und Anträgen erzielt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir Niederlagen in Kauf nehmen müssen und für unsere gut begründeten Anträge keine Mehrheit finden.
Zu diesen Niederlagen gehört, dass unser Antrag auf Umbenennung des Herrmann-Stehr-Wegs am Eselsberg keine Aussicht hat, vom Gemeinderat verabschiedet zu werden.
Besonders schmerzlich ist, dass dieser Antrag auf eine Initiative der Grünen Jugend zurückgeht, die gut recherchiert hat und die die wesentlichen Argumente gesammelt hat.
Hermann Stehr (1864 bis 1940) war Lehrer und Schriftsteller. Er hing in den 20er Jahren dem demokratischen Liberalismus an, doch unterstützte er das NS-Gedankengut von dem Augenblick an, da es politischen Einfluss gewann. Möglicherweise sah er darin die Chance, seine bis dahin mäßig erfolgreiche Schriftstellerkarriere zu befördern. Stehr rechtfertigte die Morde anlässlich der Röhm-Affäre, unterstützte die Übertragung der Befugnisse des Reichspräsidenten auf Hitler, beteiligte sich an den Bücherverbrennungen und legitimierte in politischen Stellungnahmen mehrfach die Handlungen der Nationalsozialisten. Das NS-Regime wiederum dankte ihm das durch finanzielle Förderungen und Auszeichnungen. Ab 1935 war er Reichskultursenator und dadurch Funktionsträger im nationalsozialistischen Regime.
Zu seinen markanten Äußerungen gehörte der 1938 verfasste Satz: "Uns sollen die Zähne ausfallen und die Zunge im Munde verdorren, wenn wir am 10. April nicht dem Führer und seinen Taten ein begeistertes Ja zurufen."
Hermann Stehr tötete keine Menschen. Doch gehörte er zum nützlichen kulturellen Umfeld, dessen sich der NS-Staat zur Legitimierung und Stabilisierung seiner Macht bediente und ohne das er nicht in der Lage gewesen wäre, seine Verbrechen zu begehen.
Zu den von der Stadt Ulm aufgestellten Kriterien, nach denen eine Würdigung in Form einer Straßenbenennung nicht angemessen ist, gehört u.a. die „politische Propagierung von NS-Gedankengut, Rassismus, rassistischem Antisemitismus, völkischem Nationalismus und anderen menschenverachtenden Ideologien.“
Das Ernstnehmen dieser Kriterien hätte zwingend zur Erkenntnis führen müssen, dass Herrmann Stehr nicht würdig ist, Namensgeber einer Straße unserer Stadt zu sein.
Die Universität Breslau hat ihre während der NS-Zeit verliehene Ehrung Stehrs wieder zurückgezogen. Die Städte Frankfurt am Main, Schweinfurt und Münster haben Hermann-Stehr-Straßen umbenannt.
Der von der GRÜNEN Fraktion vorbereitete Antrag, diesem Beispiel zu folgen, wäre lediglich von der SPD-Fraktion mitgetragen worden. Alle anderen Fraktionen kündigten an, ihn ablehnen zu wollen. Allenfalls eine erklärende Tafel schien ihnen akzeptabel. Die Umstände, die es den Anwohner*innen bereiten würde, ihre Briefköpfe und Ausweisdokumente zu ändern, wogen für sie offenbar schwerer als die Tatsache, dass Ulm einem NS-Dichter eine unvertretbare Ehre zuteilwerden lässt.
Angesichts der Aussichtslosigkeit, eine Mehrheit für ihren Antrag zu finden, beschloss die Fraktion, auf eine Einbringung zu verzichten. Für ihre Initiative dankt die Fraktion der Grünen Jugend sehr herzlich. Die Mühe ist nicht vergeblich. Denn auch in Niederlagen steckt die Motivation, umso entschiedener für neue Mehrheiten zu kämpfen und die Aufklärungsarbeit fortzusetzen.
Im Bereich der Steingasse, Sammlungsgasse und Bockgasse in der Innenstadt findet für 12 Monate ein Einbahnstraßen-Verkehrsversuch statt. Das wurde im zuständigen Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt am 18. Juli 2023 entschieden - unterstützt durch die Stimmen unserer Fraktion. Wir freuen uns darüber, dass die Stadtverwaltung nun mit dieser Maßnahme prüft und auswertet, ob die drei Gassen mit einer Einbahnstraßenregelung vom Verkehr entlastet werden können!
Der einjährige Verkehrsversuch soll im September 2023 eingerichtet werden. Er setzt zur Verkehrsberuhigung der Steingasse, Sammlungsgasse und Bockgasse auf Einbahnstraßenregelungen. Der Verkehrsversuch hat zum Ziel, die verkehrlichen Effekte der Einbahnstraßenregelungen zu beobachten und die Auswirkungen beurteilen zu können, wofür ein Ingenieurbüro den Versuch fachlich begleiten wird (Veränderungen feststellen, MIV-Bewegungen zählen und dokumentieren). Darüber hinaus wird der Versuch kombiniert mit einer Online-Feedback-Möglichkeit.
Schließlich wird im Sommer 2024 eine Bürgerinformationsveranstaltung über die Ergebnisse des Versuchs und der parallel laufenden Beteiligung stattfinden und es Gelegenheit zur Diskussion geben. Anschließend wird eine Entscheidung über Weiterführung, Anpassung oder Beendigung der Verkehrsführung getroffen werden.
Im Vorfeld gab es mit den Anliegerinnen und Anliegern der betroffenen Straßen, mit der Stadtgesellschaft, der Stadtverwaltung und zwischen den Gemeinderatsfraktionen intensive Diskussionen.
Bereits am 05.05.2022 fand in den Räumlichkeiten der Spitalhofschule eine Abendveranstaltung auf Einladung des Vereins "Leben in der Stadt e.V." mit Anwohnerinnen und Anwohnern rund um die Steingasse statt. Im Zuge der Veranstaltung wurde die Verwaltung gebeten, einen Verkehrsversuch durchzuführen, welcher für eine Verkehrsentlastung der Steingasse und Sammlungsgasse sorgt.
Ein Jahr später, am 29.06.2023 wurden die Pläne im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung im Haus der Begegnung vorgestellt und diskutiert, wobei die Stadtverwaltung andere Schlüsse aus der Diskussion zog, als anwesende Stadträtinnen und -räte aus mehreren Gemeinderatsfraktionen:
Die Stadtverwaltung wie auch die mediale Berichterstattung sah an der Informationsveranstaltung nur vereinzelt Zuspruch für den Verkehrsversuch, jedoch hätte Skepsis, Kritik und Ablehnung bei den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern überwogen.
Wir und - schließlich auch die Mehrheit des zuständigen Gemeinderatsausschusses - sahen an dem Abend hingegen, dass die Argumente der Gegner des Versuchs vehementer und mit höherem Zeitanteil vorgetragen wurden, aber im Gesamten mindestens eine ausgeglichene Positionierung deutlich war.
Dies als Hintergrund, ist es zusätzlich wichtig sich vor Augen zu halten, dass gemäß dem eigentlichen Sinn eines Verkehrversuches dieser das Potential hat, Erkenntnisse in der Praxis zu gewinnen - die Nichtdurchführung hat dies jedoch nicht. Darüber hinaus hat ein Verkehrsversuch den Vorteil, dass er bei Nichterfolg beendet werden kann.
Die 11 Impulse der Wissenschaftsstadt finden Sie hier: 11 Impulse für die Wissenschaftsstadt Ulm
Alle Anträge sind vollständig hier einsehbar: 2023
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