Rundbrief Oktober 2022
Liebe Leserinnen und Leser des Grünen Rundbriefs,
wer für Ziele und Grundsätze eintritt, muss sich auch manchmal gegen ein Projekt wenden. An der Gemeinderatssitzung am 16.11.2022 stimmen wir für eine sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und ökonomisch sinnvolle Bebauung in Ulm, und somit gegen die aktuellen Quartiersentwicklungspläne "Am Hermannsgarten" der Stadtverwaltung. Der Grund dafür ist, dass die Verwaltungsvorlage eine Bebauung dieses neuen Quartiers am Oberen Kuhberg unter anderem mit Kettenhäuser vorsieht und damit unserer Vision einer Stadtentwicklungspolitik, die Sozial- und Umweltpolitik vereint und anspruchsvollen Geschosswohnungsbau vorsieht, widerspricht:
- Wohnen und Bauen sind eine der entscheidenden sozialen Fragen unseres Jahrzehnts. In Ulm wird auch der Wohnungsmangel Tag für Tag größer. Obwohl nach Artikel 11 des UN-Sozialpaktes jeder Mensch das Recht auf angemessenen Wohnraum hat, bewirken die hohen Preise für Wohnraum, dass nur wenige sich für ihre Bedürfnisse angemessene vier Wände leisten können. Die hohen Preise sind die Konsequenz der hohen Nachfrage nach Wohnraum, die größer ist als das Angebot in Ulm. Gleichzeitig sind Grundstücke zur Bebauung rar. So sind wir der Überzeugung: Wohn- und Baupolitik sind im Grunde Sozialpolitik. Warum also wollen wir die Chance nicht ergreifen und bei neuen Quartieren nicht das sozial und ökologisch gebotene Maximum an Wohneinheiten herausholen, um so sinnvoll dem Wohnungsmangel und den hohen Preisen etwas entgegensetzen?
- Nicht nur aus sozialen Gründen plädieren wir für anspruchsvollen Geschosswohnungsbau statt Kettenhäuser. Geschosswohnungsbau versiegelt weniger Fläche als Kettenhäuser im Verhältnis zu deutlich mehr Wohneinheiten für Bewohner*innen. Das schont die Umwelt und spart Ressourcen, die in Zeiten in denen durch die Corona-Pandemie die Lieferketten gestört sind und durch die Energiekrise auf Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ohnehin teuer und knapp sind. Und nicht nur dies: uns muss bewusst sein, dass Bebauungsflächen nicht nur ein rares, sondern ein endliches Gut ist. Umso wichtiger ist es, eine nachhaltige Bebauungspolitik zu verfolgen, die Ökologie und Soziales in sich vereint. Die Pläne der Stadtverwaltung für die Quartiersentwicklung "Am Hermannsgarten" erfüllen dieses Ziel nur unzureichend.
- Gleichzeitig gilt es Fehler voriger Dekaden zu vermeiden, in denen soziale Homogenität in Großsiedlungskomplexen vorherrschend waren. Soziale Durchmischung und bezahlbarer Wohnraum sind daher zentral. In einem mit Stimmen der Grünen Fraktion erwirkten Beschluss des Fachbereichsausschuss Stadtentwicklung, Bau und Umwelt am 31.05.2022 zur GD 175/22, der nun im Gemeinderat zu überstimmt werden droht, wurden diese Grundsätze gewahrt.
Zum Weiterlesen zum Thema Stadtentwicklung und Baupolitik: Das Grundlagen Papier der Grünen Stadtratsfraktion
Mit Herzlichen Grüßen
Banu Cengiz Öner
Stadträtin
Alle Anträge sind vollständig hier einsehbar: 2022
Bauen und Wohnen
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Bildung und Soziales
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Sonstiges
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Leben in der Stadt
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Mobilität
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Kultur
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Ortschaften
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Gerade in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten braucht es viel Engagement, Freundschaften im Donauraum zu pflegen und sich gegenseitiger Wertschätzung zu versichern. Deshalb war die Delegation aus Ulm und Neu-Ulm in der Europäischen Kulturhauptstadt Novi Sad, hochkarätig besetzt: Zusammen mit den Oberbürgermeister Gunter Czisch, Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger und Bürgermeister Martin Bendel reisten Vertreter*innen der Stadtverwaltungen und Gemeinderäte beider Städte an die Donaustadt, um an verschiedenen Veranstaltungen, dem Jugendcamp des Donaubüros und Gesprächen mit den politischen Verantwortlichen sowie Kulturschaffenden vor Ort teilzunehmen. Für die GRÜNE Fraktion reisten Lena Schwelling, Doris Schiele und Elke Reuther mit. Neben dem Kulturprogramm und vielen Informationen über die Stadtgeschichte beeindruckten uns vor allem die Teilnehmer*innen der „Junge Donaubrücken Novi Sad“ und deren Kontaktfreudigkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber aktuellen politischen Themen. Die Begeisterung dieser jungen Menschen für die Idee Europas stimmt zuversichtlich und gibt Hoffnung, dass sie als Botschafter*innen in ihren jeweiligen Ländern etwas bewegen werden. Beim anschließenden Abendessen diskutierten wir dann mit Herrn Czisch und Frau Albsteiger über weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Städte Ulm und Neu-Ulm und darüber, dass es in Novi Sad extra-breite Fahrradstreifen in der Innenstadt gibt. Reisen erweitert den Horizont…
„Demokratie heißt, sich in die eigenen
Angelegenheiten einzumischen“, schrieb der Schweizer Schriftsteller Max Frisch.
Diesem Satz steht die Wahrnehmung vieler Menschen entgegen. Sie empfinden die
Demokratie als etwas Fremdes. Sie haben den Eindruck, dass die Gewählten die Dinge
unter sich ausmachen, und dass sie selbst nach den Wahlen keine Rolle mehr
spielen.
Aber Demokratie heißt, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen.
Demokratie ist das Eigene und nicht das Fremde.
Zum eigenen Ding wird die Demokratie nur, wenn Menschen sich im politischen
Prozess als wirksam erfahren, wenn sie die Chance sehen, die Gesellschaft
friedlicher, sozialer und gerechter gestalten zu können.
Die GRÜNE Fraktion im Ulmer Gemeinderat arbeitet auf kommunalpolitischer Ebene für
Ziele, von denen sie glaubt, dass sie nahe an den Bedürfnissen der Menschen sind:
Wir engagieren uns dafür, dass Wohnraum für viele geschaffen wird und bezahlbar
ist; dass der Verkehr menschengerecht ausgestaltet wird und Fußgänger*innen und
Radfahrer*innen nicht das Nachsehen haben. Wir engagieren uns, dass Geflüchtete
schnell integriert werden und kulturelle Vielfalt gelebt wird. Wir arbeiten dafür,
dass die Wirtschaft das Klima schont und nicht zerstört, und dass Umweltpolitik
die sozial Schwachen absichert und stärker macht.
Wir wissen aber, dass alle diese Ziele nur erreichbar sind, wenn sie für die
Menschen nichts Fremdes bleiben, sondern zum Eigenen werden.
Eine perfekte Methode, um sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen, ist
das Ulmer Dialogmodell. Es wurde 1997 im Rahmen der Erinnerung an den 600.
Jahrestag des Ulmer Schwörbriefs gegründet. Es sollte die Idee der demokratischen
Stadt revitalisieren.
In Gestalt der Regionalen Planungsgruppen treten Bürgerinnen und Bürger in einen
Dialog mit der Stadtverwaltung und den Mitgliedern des Gemeinderats, informieren
sich gründlich über Projekte und tragen Wünsche und Anliegen an die Stadtpolitik
heran.
Dem Ulmer Dialogmodell widmet die Stadt Ulm im m25 eine sehenswerte Ausstellung,
die am 14.10.2022 eröffnet wurde.
Die GRÜNE Fraktion hofft im Sinne der Ausstellung, dass sich noch mehr Menschen in
ihre eigenen Angelegenheiten einmischen und deutlich machen: Soziale und
ökologische Demokratie ist unser ureigenes Ding!
Der Platz zwischen dem Justizgebäude und
der Staatsanwaltschaft an der Olgastraße trägt seit Neuestem den Namen von Rudolf
Duala Manga Bell. In einer eindrucksvollen Zeremonie wurde am 7.10.2022 die
Namensgebung gefeiert. Zahlreiche Nachkommen und Angehörige des Volkes der Duala,
unter ihnen mehrere Stammeskönige, waren aus Kamerun, manche auch aus europäischen
Ländern, gekommen, ebenso die baden-württembergische Ministerin für Justiz und
Migration Marion Gentges.
Rudolf Duala Manga Bell war das Opfer eines Justizmordes.
Geboren als Königssohn im Volk der Duala im Jahre 1875 kam er als 16 Jähriger nach
Deutschland und genoss eine gute Schulbildung in Aalen und für ein Jahr am
Gymnasium in Ulm.
Er war mit deutscher Bildung eng verbunden und fasste Vertrauen in den
Rechtsstaatscharakter des damaligen deutschen Reiches.
Nachdem er nach Kamerun zurückgekehrt und im Jahre 1908 König der Duala geworden
war, protestierte er auf offiziellem Wege, durch eine Petition an den Reichstag,
gegen von ihm wahrgenommenes Unrecht der deutschen Kolonialbehörden. Diese rächten
sich durch ein Todesurteil, das am 8.8.1914 vollstreckt wurde.
Der Benennung des Platzes ging eine mehrjährige Diskussion in der AG Straßennamen
und im Gemeinderat voraus. Der Vorschlag, die M-Gasse nach Rudolf Duala Manga Bell
zu benennen, fand zum Bedauern der GRÜNEN Fraktion keine Mehrheit. Der Vorschlag,
einen Platz in Böfingen nach ihm zu benennen, wurde als nicht sinnvoll erachtet.
Mit der Entscheidung, an diesen Vorkämpfer für Menschenrechte vor dem
Justizgebäude zu erinnern, ist nach unserer Ansicht eine sehr gute Lösung gefunden
worden. Denn Rudolf Duala Manga Bell erinnert das Rechtssystem daran, wie leicht
es in Unrecht kippen kann, wenn es nicht sorgfältig geschützt wird.
Baden-Württemberg zählt zu den stärksten
Wirtschaftsregionen Europas und Ulm wiederum zu den stärksten im Südwesten.
Vielfältige Faktoren spielen dafür eine Rolle, die Ulm gut abzudecken scheint.
Darüber können wir froh sein.
Doch es hat sich etwas verändert in den letzten Jahren: Krisen waren keine
Ausnahme mehr, sondern wurden der Normalzustand. Dazu erleben wir nicht nur eine
Krise nach der anderen, vielmehr erleben wir viele gleichzeitig:
Die Pandemie ist nach wie vor nicht vorbei, weswegen Lieferketten weiter
beeinträchtigt werden und der hohe Krankenstand, durch den u.A. Busse ausfallen,
Schulen keine Betreuung anbieten können und sich der Pflegenotstand drastisch
verschärft, die Lebenssituation für eine übergroße Zahl an Menschen in Ulm nur
schwer bewältigen lässt.
Dazu kommt der russische Angriffskrieg in der Ukraine und dessen Folgen:
Inflation, fossile Energiekrise, die nicht nur Privathaushalte, sondern auch und
gerade kleine und mittelständische Unternehmen treffen und nicht zuletzt die
Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die auch bei uns spürbar wird.
Nächste Krise: Fachkräftemangel, der uns im Handwerk, in der Bauwirtschaft und
auch im Sozialbereich massiv ausbremst und den wir nicht ohne Zuwanderung werden
bewältigen können.
Und nicht zuletzt: Die Klimakrise! Hitzesommer und Starkregenereignisse,
Niedrigwasser im Rhein, der die Binnenschifffahrt massiv ausbremst und all das ist
erst der Anfang, das wissen wir, weshalb wir ja auch vor ein paar Wochen an diesem
Tisch beschlossen haben, bis 240 klimaneutral zu sein.
In Anbetracht dessen erstaunt allerdings sehr, dass das Thema klimaneutrale
Wirtschaft in der vorliegenden Drucksache der Verwaltung nur gestreift wird und
konkrete Vorschläge, die über das Bisschen hinausgehen, das wir an diesem Tisch
schon gefühlt hundert Mal gesprochen haben, wie das 100 Dächer Programm, wie wir
dieses Ziel gemeinsam mit der Wirtschaft erreichen können, sind gar nicht zu
finden auf den 38 Seiten.
Und bei einer der wenigen Erwähnungen liest man im Wortlaut „die Transformation zu
einer möglichst klimafreundlichen Wirtschaft“ zu fördern. Sowohl „möglichst“ als
auch „klimafreundlich“ tragen dem drängenden Fortschreiten der Klimakrise nicht
ansatzweise Rechnung!
Und auch der Satz: „Klimaneutralität muss erreicht werden ohne der
Wirtschaftsstandort zu gefährden“ verkennt leider die Realität. Denn umgekehrt
sieht es doch aus, ohne die Klimaneutralität wird es keine Zukunft für unseren
Wirtschaftsstandort mehr geben!
Deutlich zeigt sich das an den Beispielen von innovativen Unternehmen, für die die
Energiesicherheit (also die Verfügbarkeit erneuerbare Energien!) den Ausschlag
gibt, sich eben nicht im Süden, sondern im Norden oder Osten der Republik
anzusiedeln!
Das haben wir jetzt mehrfach erlebt, seien es Tesla, der Chiphersteller Intel oder
auch das Batterie-Startup Northvolt. Diese Unternehmen haben sich eben nicht in
Bayern oder Baden-Württemberg angesiedelt, sondern im Norden und Osten, wo die
Versorgung mit klimaneutralem Strom gesichert ist. Das macht deutlich: Die
Verfügbarkeit erneuerbarer Energien wird zunehmend zum Standortfaktor. Und damit
droht umgekehrt dem Süden Deutschlands, und auch Ulm, ein ernsthafter
Standortnachteil.
Und langsam kommt man sich vor wie eine defekte Schallplatte, wenn man ständig und
immer wieder daran erinnern muss, dass das zentrale Thema unserer Zeit - auch für
die Zukunft der Wirtschaft - genau das ist: der Ausbau der Erneuerbaren und wir da
massiv hinterherhinken, während uns gleichzeitig die Zeit immer schneller davon
läuft!
Und auch beim Lieblingsthema Wasserstoff ist der entscheidende Faktor die
ausreichende Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien! Alle Bemühungen in dem Bereich
können wir in die Tonne treten, wenn uns das nicht gelingt.
Ulm geht es heute gut und das ist weder gottgegeben noch selbstverständlich,
sondern das verdanken wir weitsichtigen und klugen Weichenstellungen unserer
Vorgänger*innen, die beispielsweise mit der Wissenschaftsstadt schon einmal eine
bemerkenswerte Transformation vom Industriestandort zum Wissensstandort geschafft
haben.
Aufgabe unserer Zeit ist es, die Transformation zum klimaneutralen
Wirtschaftsstandort einzuleiten und dafür bleibt das Papier aus Sicht unserer
Fraktion leider viel zu viele Antworten schuldig. Doch am Ende ist es auch nicht
dieses Papier das entscheidend ist, denn wir können hier viel beschließen und uns
viel auf die Schulter klopfen, wie viel wir schon machen und wie gut es uns doch
geht - damit das so bleibt, müssen wir Mehr tun und vor allem müssen wir es
schneller tun!