Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
Sehr geehrte Herren Bürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Meine Damen und Herren,
das zweite Jahr in Folge sind wir für die Haushaltsplanberatungen nicht wie sonst üblich alle im kleinen Sitzungssaal zusammengekommen, haben als halber Gemeinderat an dem Tisch gesessen, der eigentlich nur groß genug ist für die Ausschusssitzungen und daher auch nicht genügend Platz bietet für Kaffee, Butterbrezeln und vor allem 20 aufgeschlagene, dicke Haushaltsordner, in denen emsig geblättert wird und haben so zum zweiten Mal in Folge auch auf das Gefühl des Zusammenrückens, in diesen zwei intensivsten Tagen für Gemeinderat, Stadtspitze und Verwaltung, verzichten müssen.
Aber wir verabschieden heute nicht nur den zweite Haushalt unter Pandemiebedingungen, sondern auch den zweiten Konsolidierungshaushalt. 5 Millionen Euro an strukturellen Einsparungen haben wir uns vorgenommen für die kommenden beiden Jahre.
In einer zweitägigen Klausur haben sich Verwaltung, Bürgermeister*innen und Gemeinderat auf ein Konsolidierungspaket geeinigt. An dieser Stelle wollen wir uns für die sehr gute Vorarbeit der Verwaltung bedanken, die aus allen Fachbereichen die anderthalbfache Menge dessen vorgeschlagen haben, was wir uns als Konsolidierungsziel gesetzt haben.
Viele der Vorschläge, auf die wir uns geeinigt haben, sind absolut unstrittig, entsprechen aber auch eher einer Art Frühjahrsputz des Haushaltes.
Da sind Stellenanteile konsolidiert worden, die schon seit Jahren nicht mehr benötigt werden, Druckkosten gesenkt worden, da die Arbeit von Verwaltung und Gemeinderat digitaler wird und so an vielen Stellen die Haushaltsansätze nur den realen Gegebenheiten angepasst.
Kontroverser haben wir die Vorschläge diskutiert, die eine Streichung von Leistungen darstellen, seien es Putzintervalle, Wechselbepflanzungen oder die Kürzung der Randzeitenbetreuung in den Kindertagesstätten und der Wegfall des ticketfreien ÖPNVs an Samstagen.
Der Einsparvorschlag bei den nicht-städtischen KiTa-Träger*innen ist erst für das Haushaltsjahr 2023 vorgesehen, insofern haben wir hier noch Zeit, uns über die konkrete Ausgestaltung Gedanken zu machen, auch in Zusammenarbeit mit den Trägern, die ja eigene Vorschläge zur Einsparung gemacht haben, wofür wir ihnen sehr dankbar sind. Wir werden uns als im kommenden Jahr noch einmal Zeit nehmen müssen, diese Vorschläge erneut zu prüfen.
Denn wir haben als Fraktion insbesondere Bauchschmerzen bei den Kürzungen von Leistungen, die die Zukunftsbereiche Bildung und Klimaschutz betreffen.
Den Wegfall des ticketfreien Samstags-ÖPNV wollen wir daher mit der Einführung des landesweit gültigen 365€-Tickets für junge Menschen kompensieren und sind unserem Verkehrsverbund DING sehr dankbar, dass er die Einführung dieses Tickets beschlossen hat.
Unter diesen Maßgaben können wir den fraktionsübergreifenden Konsolidierungsvorschlag mittragen.
Denn selbstverständlich teilen wir das Ziel, dass wir mit dieser Haushaltskonsolidierung - die ja kein Selbstzweck ist - erreichen wollen, nämlich die Schaffung eines soliden und ausgeglichenen Haushalts.
Aber was ist das eigentlich?
Das Schlagwort, dass in diesem Zusammenhang immer genannt wird, ist der inzwischen fast schon inflationär genutzte Begriff Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit - so die Definition - will ökonomische, soziale und ökologische Belange im Hinblick auf künftige Generationen harmonisieren.
Im Gegensatz zu dieser sehr langfristigen Perspektive steht aber unsere Haushaltslogik, nach der wir ja den Haushaltsplan für das Folgejahr diskutieren und beschließen und mit der mittelfristigen Finanzplanung und der Investitionsstrategie zwar bemüht sind eine Perspektive für die kommenden Jahre aufzuzeigen, doch in der Praxis schon daran scheitern, die einjährigen Haushaltspläne, so umzusetzen wie wir sie beschlossen haben. Ein eindrückliches Zeichen dafür liefern die hohen Ermächtigungsüberträge, die wir jedes Jahr weiterschieben und die zeigen, dass die Kapazitäten der Verwaltung, den sich im Haushalt abbildenden Gemeinderatsbeschlüssen nicht gewachsen sind.
Ein Problem auf das wir aus dem Gemeinderat wiederholt hingewiesen haben!
Ich kann daher an dieser Stelle genau denselben Satz verwenden, wie in der Haushaltsrede vor einem Jahr:
„Das ist nicht in erster Linie eine finanzielle Frage, wie wir jährlich an den rund 50 Millionen sehen, die zwar beschlossen und eingeplant, sind, aber eben nicht ausgegeben werden können. Die Stadtverwaltung muss vielmehr in die Lage versetzt werden, die Aufgaben, die wir hier beschließen, auch abzuarbeiten und zwar dann, wenn sie anfallen.“
Dementsprechend haben wir letztes Jahr unserer großen Skepsis Ausdruck verliehen, dass es gelingen kann, die 20 Millionen mehr im Investitionshaushalt mit nahezu demselben Personalbestand zu verbauen.
Und siehe da - es ist auch nicht gelungen und wir haben 2020 - da wissen wir es aus dem Jahresabschluss schon - knapp 11 Millionen an Ermächtigungsüberträgen und werden aus dem aktuell laufenden Haushalt aller Voraussicht nach auch wieder hohe Ermächtigungsüberträge haben.
Doch diese Überträge sind ja nicht nur ein Problem im Hinblick auf die Haushaltsgrundsätze, (wobei sie da ja zu einer Verbesserung des ordentlichen Ergebnisses führen) sondern diesen nicht-ausgegebenen Millionen stehen ja auch nicht-sanierte Gebäude oder Brücken, nicht begonnene Investitionen und nicht-getätigte Ausgaben in die Zukunftsaufgaben Klimaschutz und Bildung gegenüber! Ganz zu schweigen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gebäudemanagement, bei VGV und all den anderen stark überlasteten Abteilungen!
Ist es das, was wir mit solider und nachhaltiger Finanzpolitik meinen? Das alljährliche Verschieben notwendiger Investitionen, das alljährliche Nicht-Abarbeiten-Können von Gemeinderatsbeschlüssen und das alljährliche Scheitern an der eigenen Haushaltsplanung - wie lange wollen wir uns das noch anschauen?!
Und das betrifft ja nicht nur die Ausgabenseite, sonder auch auf der Einnahmenseite klaffen zwischen Haushaltsplanung und Haushaltswirklichkeit Lücken, die 35 Millionen an ungeplanten Mehreinnahmen im laufenden Haushaltsjahr sind nur ein Beispiel dafür!
Bei der Prüfung des Jahresabschlusses werden wir daher wegen dieser überzeichneten Ansätze bei den Ausgaben und der unterzeichneten Ansätze bei den Einnahmen immer wieder mahnend auf die Haushaltsgrundsätze Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit hingewiesen.
Dies alles wirft doch die Frage auf, ob das Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik in Einklang zu bringen ist mit der strikten Weigerung seitens der Verwaltungsspitze neue Stellen zu schaffen, wo es doch offensichtlich notwendig ist.
Und jedes Jahr - auch jetzt gleich - werden Sie lieber Finanzbürgermeister Bendel in Ihrer Erwiderung auf die Stellen verweisen, die ja mit dem Haushalt 2022 neu geschaffen werden, sowohl in der IT als auch beim Gebäudemanagement.
Und wie jedes Jahr muss ich Sie daher fragen, ob Sie der Überzeugung sind, dass mit diesen zusätzlichen Stellen, das im Haushalt eingeplante Arbeitspaket auch abgearbeitet werden kann?
Und ich nehme an - wie jedes Jahr - werden sie das bejahen und ich befürchte - wie jedes Jahr - werden wir auch im kommenden Jahr wieder über hohe Ermächtigungsüberträge diskutieren und feststellen müssen, dass diese Prognose nicht aufgegangen ist.
Vielleicht wäre es daher an der Zeit, dieses zwar liebgewonnene aber doch etwas fruchtlose Ritual zu durchbrechen und die personellen Kapazitäten in der Verwaltung endlich den finanziellen Beschlüssen anzupassen!
Ich weiß, Sie schlagen stattdessen lieber vor, der Gemeinderat solle doch einfach weniger Ausgaben beschließen, dann würden die Kapazitäten sowohl finanziell als auch personell für die Abarbeitung schon ausreichen.
Doch durch diesem Vorschlag schimmert ja immer die Annahme durch, der Gemeinderat würde quasi aus Jux und Tollerei Ausgaben beschließen, die im Grund verzichtbar seien.
Und dem möchte ich gerne mit aller Deutlichkeit entgegentreten!
Kommunalpolitik ist mehr als ein ausgeglichener Haushalt. Und wenn wir als Gemeinderat in der Abwägungen zwischen Maßnahmen und Investitionen, die für die Stadt und ihre Bürger*innen wichtig sind und den Maßgaben eines geplanten positiven Haushaltsabschlusses, einer Abwägung, die wir alle - drauf möchte ich an dieser Stelle noch einmal hinweisen - mit großem Verantwortungsbewusstsein treffen, zum Ergebnis kommen, dass es Vorhaben gibt, die so wichtig sind, dass wir dafür bereit sind ein negatives ordentliches Ergebnis des Haushaltsplans in Kauf zu nehmen, dann hat das gute Gründe!
Zumal wir aufgrund vieler positiver Jahresergebnisse aus den letzten Jahren entsprechende Rücklagen haben, sodass die Genehmigungsfähigkeit des Haushaltes nicht in Frage steht.
Und es gibt Ausgaben, die das wert sind. Dazu gehören in unseren Augen ganz besonders die Investitionen in die Zukunft, also in Bildung und Klimaschutz.
Dies entspricht auch den Maßgaben einer nachhaltigen Finanzpolitik, denn Sparen auf Kosten der Zukunft mag uns für den Moment einen ausgeglichen Haushalt bescheren, auf lange Sicht, rechnet sich das jedoch nicht. Denn was wir uns dort heute sparen, kann uns in einigen Jahren deutlich teurer zu stehen kommen. Unterlassene notwendige Investitionen in die Infrastruktur, die Bildung oder den Klimaschutz sind nur verlagerte Schulden, die die kommenden Generationen dann genauso belasten werden, wie finanzielle Schulden, wenn nicht sogar noch mehr, denn sie können unumkehrbar sein.
Nachhaltigkeit, auch in der Finanzpolitik, bedeutet daher nicht in erster Linie, denen, die nach uns kommen werden volle Kassen, sondern vielmehr eine zukunftsfeste Stadt in einem vernünftigem Zustand zu hinterlassen!
Ein wichtiges Beispiel für solch eine Ausgabe ist die Bildung des interdisziplinären Fachkräfteteams zur Abfederung der Pandemiefolgen für Kinder und Jugendliche, für das wir knapp 1,5 Millionen Euro in den kommenden Jahren bereitstellen. Gerade die jungen Menschen haben in den letzten Monaten am meisten gelitten und sind dabei oft am wenigsten gesehen worden, weshalb diese ganz konkrete Unterstützung für sie jetzt so wichtig ist.
Auch Investitionen in den Klimaschutz und ganz konkret die Mobilitätswende, bspw. die Regio S-Bahn, die jetzt so langsam in Fahrt kommt aber auch in die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur sind dringend notwendig. Vor allem, führt man sich die Ziele vor Augen, die wir uns gesetzt haben:
25% Radverkehrsanteil bis 2025 und Verdopplung der Fahrgastzahlen im Nahverkehr bis 2030.
Im Hinblick auf diese Ziele und die damit verbundene Frage, ob das, was wir an Maßnahmen beschlossen haben, auch ausreicht, um diese Ziele zu erreichen, ist im Zuge der Haushaltsplanberatungen aus der Mitte des Gemeinderates der Wunsch nach einer intensiveren Beschäftigung mit dem Thema laut geworden. Und das wollen wir an dieser Stelle noch einmal unterstreichen und die Verwaltung bitten, eine Klausursitzung zu den Themen rund um die Mobilitätswende in Ulm im kommenden Jahr einzuplanen. Denn das Thema liegt dem Gemeinderat über alle Fraktionsgrenzen hinweg am Herzen.
Dass wir als Gemeinderat die Bedeutung konkreten Klimaschutzes für die Stadt erkannt haben, zeigt sich auch in der Mittelerhöhung für die Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen, die wir im Rahmen der Haushaltsvorbereitungen beschlossen haben.
Hitzesommer und Starkregenereignisse treffen in Ulm auf eine weitestgehend versiegelte und verbaute Kernstadt. Das Grünflächenamt und das Gebäudemanagement wollen dem durch gezielte Entsiegelungsmaßnahmen sowie Dach- und Fassadenbegrünungen der städtischen Gebäude etwas entgegensetzen und nicht nur eine auf den Klimawandel besser vorbereitete, sondern auch eine lebenswertere und ansprechendere Stadt gestalten. Doch den vielen guten Ideen standen im Haushaltsplanentwurf für 2022 nur sehr wenige, bzw. beim Gebäudemanagement gar keine Mittel gegenüber. Mit der beschlossenen Erhöhung der Finanzmittel, kann diese so wichtige Aufgabe nun zügiger und in größerem Umfang angegangen werden.
In diesem Sinne lässt sich festhalten:
Es steckt viel Gutes in diesem Haushalt und auch wenn es aus unserer Sicht mehr sein müsste, um den Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, gerecht zu werden, stimmen wir als Grüne Fraktion dem vorliegenden Haushaltsplan zu und bedanken uns sehr herzlich bei allen in der Verwaltung, die an dessen Erarbeitung mitgewirkt haben.
Vielen Dank.
|