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Das Ulmer Rathaus

Politisches Zentrum mit technischem Wunderwerk

Das Rathaus Ulm

Das Ulmer Rathaus mit seiner astronomischen Uhr ist ein beeindruckendes, historisches Bauwerk. Zugleich ist es der Ort, an dem politische Entscheidungen den Weg in die Zukunft ebnen.

Eingerahmt von der modernen Architektur in Ulms "Neuer Mitte" behauptet sich das Rathaus mit seinem historischen Anblick. Üppige Wandmalereien, zum Großteil im Mittelalter entstanden, verleihen ihm ein unverwechselbares Äußeres. Hinter der - in diesem Fall attraktiven - Fassade verbergen sich Geschichten und Geschichte aus fast sieben Jahrhunderten.

Als politisches Zentrum der Stadt ist das Rathaus Amtssitz des Oberbürgermeisters und Tagungsort des Gemeinderats. Es beherbergt das Standesamt und weitere Bereiche der Stadtverwaltung. Im zweiten Stock reihen sich Porträtgemälde ehemaliger Oberbürgermeister aneinander, während im ersten Stock ein Holzmodell die Ulmer Kernstadt im Miniaturformat abbildet. Eine steinerne Skulptur mit der Aufschrift „Ein Stein“ deutet auf Albert Einstein, den berühmtesten Sohn der Stadt, hin.

Blickfang schlechthin im Innern ist der Nachbau des Fluggeräts von Albrecht Ludwig Berblinger, auch bekannt als „Schneider von Ulm. Berblinger scheiterte einst mit seinem Versuch, über die Donau zu fliegen. Sein Talent und seine Innovationskraft sind inzwischen jedoch anerkannt. Das Modell des Flugapparats ist an der Decke angebracht und scheint – passend zum Thema – über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher zu schweben.

Der heutige Amtssitz des Oberbürgermeisters diente einst einem ganz anderen Zweck. Der Ursprungsbau entstand 1357 und wurde zunächst als Kauf- und Warenhaus genutzt. Das Stadtzentrum war nicht nur geographisch, sondern auch wirtschaftlich der Mittelpunkt einer „boomenden“ Stadt. Vor allem der Handel mit Barchent – einem exklusiven Stoff aus Baumwolle und Leinen – hatte Ulm reich gemacht. Das Kaufhaus war der Handelsplatz für diese Tücher, ebenso wie für Eisen, Salz und Sattlerwaren.

1370 wurde das Haus um den heutigen Ostflügel, in dem die Metzger ihre Waren anboten, erweitert. 1383 folgte der Einzug des sogenannten Niedergerichts, wodurch die Mehrfachnutzung des Gebäudes begann. Ab 1395 verfügte der Ulmer Rat über eine Ratsstube im Gebäude. Seit 1419 wird es offiziell „Rathaus“ genannt.

Zwischen 1898 und 1905 wurde das Rathaus renoviert und umgebaut. Beim fatalen Bombenangriff während des Zweiten Weltkriegs am 17. Dezember 1944 wurde das Innere des Gebäudes fast vollständig zerstört. Die Wandgemälde sowie die gewölbten Räume der unteren Geschosse blieben zum Glück weitgehend erhalten. Dennoch brauchte es mehrere Jahre, das Haus wiederherzustellen.

Ist der Reichstag in Berlin die „Herzkammer“ der Demokratie auf Bundesebene, so verdient sich das Rathaus dieses Etikett im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Hier arbeiten Exekutive (Verwaltung) und Legislative (Gemeinderat) unter einem Dach. Im Großen Sitzungssaal stellt der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung die Weichen für die Zukunft der Stadt.

Hinter der „Kunst am Bau“ steckt wohl auch ein bisschen Eitelkeit. Denn prächtige Bauten dienen und dienten Städten, zu zeigen, was man hat. Also beauftragte der Rat im 16. Jahrhundert den Stadtmaler Martin Schaffner mit der Fresken-Bemalung des Rathauses. Die Bilder und Texte transportieren religiöse und weltliche Tugenden, die den Bürgerinnen und Bürgern als moralische Leitschnur und Wertekanon dienen sollten.

Die östliche Seite des Hauses führt vorwiegend biblische Beispiele wie den verlorenen Sohn, König Salomo sowie David und Goliath vor Augen. Die Szenen stehen für folgende Stichwörter: „göttliche Weisheit“, „Selbsterkenntnis“, „Gerechtigkeit“, „Geduld“, „Liebe“, „Hoffnung“, „Glaube“, „heimlicher Neid“ und „kindischer Rat“.

Die Nordfassade hingegen zeigt Motive aus der römischen Sagenwelt. Ihre Themen sind „Kriegs-Ehrbarkeit“, „männliche Kühnheit“, „Gerechtigkeit“ und „Gehorsam“.

Die Südseite, deren Fresken erst während des Umbaus 1905 geschaffen wurden, hat einen deutlich weltlicheren Charakter. Sie verweist mit dem typischen Ulmer Boot, der Ulmer Schachteln, auf die Handelstradition der Stadt. An der Südost-Ecke erinnert eine Gedenktafel an den Astronomen und Mathematiker Johannes Kepler. Dieser ließ 1627 seine „Rudolfinischen Tafeln“ in Ulm drucken.

An der Westseite fällt besonders die „Brauttreppe“, über welche die frisch Vermählten das Rathaus verlassen, ins Auge.

Die astronomische Uhr ist in mehreren Metern Höhe an der Wand des Rathauses angebracht.

Ein wahres Wunderwerk der Technik ist die 1520 auf der Ostseite installierte astronomische Uhr. Sie bildet mit fünf beweglichen Elementen den Verlauf der Sonne mit Auf- und Untergang, die Mondphase, Sonnen- und Mondfinsternis sowie die Tierkreiszeichen ab. Die astronomische Uhr spielt, wenn man so will, das komplette Himmelsszenario nach.

Die technische Brillanz der Uhr verbirgt sich hinter den Mauern des Rathauses. Für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, treibt ein faszinierendes (Hand)-Werk aus Zahnrädern und weiteren mechanischen Elementen die Zeiger und Symbole an.

Zu den Funktionen der einzelnen Zeiger und Symbole: Astronomische Uhr

Ein dunkler Fleck in der Geschichte Ulms ist die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten. 1933 wurde der Gemeinderat gleichgeschaltet und der Oberbürgermeister Emil Schwamberger aus dem Amt entfernt. Den Amtssitz im Rathaus übernahm bis 1945 Friedrich Foerster, Mitglied der NSDAP und SA. Im Juni 1945 dann übertrugen die US-Amerikaner das Amt Robert Scholl, Vater der Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl.

Nach dem Zweiten Krieg wurde das Rathaus wieder Zentrum der kommunalen Demokratie. Gemeinderat und Verwaltung haben seitdem mutige, zum Teil auch kontrovers diskutierte Entscheidungen getroffen. Im Stadtbild sichtbare Beispiele sind die Wissenschaftsstadt am Oberen Eselsberg, das Stadthaus auf dem Münsterplatz oder die Neue Mitte im Zentrum Ulms. Im Rathaus hat sich das Schicksal der Stadt über Jahrhunderte hinweg entschieden. Eigentlich beeindruckend für ein Gebäude, das als Kaufhaus begann.

Text: Stadt Ulm, Frank Raddatz | Fotos: Stadt Ulm, Haus der Stadtgeschichte | Sprecherin: Johanna Maria Zehendner | Klangaufnahmen: Andreas Usenbenz, Studio Sechzehn.