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Rede zur Klimaschutzdebatte

Lena Schwelling

© Grüne Fraktion Ulm

Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

 

Starkregen mit Überschwemmungen haben uns in der heutigen Sitzung schon beschäftigt, dazu kommen noch wärmere Winter, extreme Dürre, Rekordhitzesommer und Ernteverluste - schon heute sind auch bei uns in Ulm die Folgen des Klimawandels spürbar.

 

Global sind die Auswirkungen bereits viel verheerender – die Waldbrände, das große Schmelzen, die Stürme, die Dürren, das Artensterben, die Korallenbleiche, die Verlangsamung des Jetstreams  – all das geschieht bereits jetzt.

 

Um die Katastrophe beherrschbar zu machen, hat sich die Weltgemeinschaft 2015 daher auf das Pariser #Klimaabkommen verständigt und darauf die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, im besten Fall 1,5 Grad zu begrenzen.  

 

Doch selbst die Pariser 1,5 Grad bedeuten eine andere Welt, als wir sie heute kennen: noch mehr Stürme, noch weniger Arten, noch mehr Fluten, noch weniger Wasser.

Bei 2 Grad wiederum wird es noch viel schlimmer, zuzüglich der hohen Wahrscheinlichkeit, dass wir auf dem Weg zu zwei Grad die Kontrolle über das Klima verlieren.

 

Orientieren müssen wir uns daher überall und auch in Ulm am 1,5-Grad Ziel.

 

Das zugrunde gelegt, liegt das verbleibende gesamtdeutsche CO2-Budget bei noch 4,2 Milliarden Tonnen CO2. Und das Ulmer Budget entsprechend bei 6,4 Mio. Tonnen CO2.

 

Derzeit emittierenden wir in Ulm rund 1 Million Tonnen pro Jahr. Machen wir also genau so weiter, lässt sich schnell ausrechnen, dass wir bereits im Herbst 2026 alles aufgebraucht hätten.

 

Dieser extrem kleine Zeitraum ist die Folge von zwei Jahrzehnten zu zögerlicher Klimapolitik. Ulm hat es in den letzten 10 Jahren gerade mal geschafft seinen CO2 Ausstoß von 10,1 auf rund 9 Tonnen je Kopf und Jahr zu reduzieren. Machen wir mit der Reduktion in dem Tempo weiter, dauert es also fast 100 Jahre bis wir klimaneutral sind!

 

Wir haben aber nur noch genug CO2-Budget für 6 Jahre.

 

Dass da eine riesige Lücke, zwischen den zu erreichenden Zielen und der Wirklichkeit klafft, erkennt jedes Kind!

 

Vielleicht sogar besser als so mancher Erwachsene, denn seit bald zwei Jahren sind die jungen Menschen von Fridays for Future auch in Ulm auf der Straße und fordern von uns, diese Lücke mit konkreten Maßnahmen für den Klimaschutz zu schließen.

Nicht zuletzt deshalb und auf diesen Druck hin diskutieren wir hier ja heute miteinander und hat uns die Verwaltung diese GD zum Klimaschutz vorgelegt.

 

Und um es gleich mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Verwaltungsvorlage spiegelt leider weder die notwendigen Dringlichkeit noch die notwendigen Radikalität wider, die wir in Sachen Klimaschutz in dieser Stadt an den Tag legen müssen!

 

Sie wissen, ich bin ein Fan der Stadtverwaltung Ulm und ihrer Arbeit, aber in Sachen Klimaschutz ist sie und sind wir alle zu langsam, zu zögerlich und viel zu wenig mutig!Ich muss in einer Vorlage nicht lesen, dass die Stadt Ulm bereits seit 1993 Mitglied im Klimabündnis ist und Dauersiegerin in der Solarbundesliga war. Ja, Herzlichen Glückwunsch dazu, aber eigentlich ist das doch verdammt wenig, oder?!

 

Nichtsdestotrotz, das Handlungsprogramm Klimaschutz 2030 enthält viele gute Ansätze und Maßnahmen. Das sehen wir durchaus. Aber die ganz entscheidende Frage für uns ist: ist es ambitioniert genug, um die Pariser Klimaziele zu erreichen? Leisten wir damit als Stadt Ulm unseren Beitrag? Reduzieren wir damit unseren CO2 Ausstoß auf die 6,4 Mio. Tonnen, die uns noch zustehen?

 

Nein. Wohl kaum.

 

Deshalb geht dieses Programm auch über einen Anfang nicht hinaus.

Und ich kann Ihnen sagen woran das liegt, viele der guten und richtigen Punkte, die Sie aufführen, sind „nett".

 

Förderprogramme schaffen Anreize für den Einsatz nachhaltiger Dämmmaterialien, die Umstellung von Ölheizungen oder den Ausbau von Photovoltaik. Das tut außer dem Finanzbürgermeister auch kaum jemandem weh.

Aber „nett" wird leider nicht ausreichen, um unsere Klimaschutzverpflichtungen einzulösen und es wird vor allem auch nicht schnell genug gehen. Wir werden uns nicht länger drücken können vor schwierigen Beschlüssen, die auch Einschränkung, Veränderung und Verzicht für unsere Bürgerinnen und Bürger bedeuten.

 

Grundsätzlich sind wir alle hier im Saal ja sehr für Klimaschutz, aber wenn es konkret wird, wenn die unangenehmen Entscheidungen anstehen, dann ist mach einem Große-Reden-Schwinger der Autoverkehr doch immer noch ein bisschen näher als das Aufhalten der Klimakrise.

 

Und genau diese Haltung, grundsätzlich dafür und im Konkreten dann aber doch kneifen, das hat uns auch in Ulm viele wertvolle Jahre gekostet und das können wir uns nicht länger erlauben.

 

Die Chance auf ein sanftes Umsteuern, das die Menschen wenig in ihrer Lebensführungen beeinträchtigt, die haben unsere politischen Vorgängergenerationen noch gehabt.

Und sie haben sie nicht genutzt.

 

Uns, die wir heute Verantwortung tragen, bleibt daher nur das radikale Umsteuern!

Denn mit Wohlfühlpolitik werden wir die notwendigen Klimaziele nicht mehr erreichen können.

 

Vor allem beim Thema Mobilität wird es dabei zum Schwur kommen. Mehr als ein Viertel unserer Ulmer Treibhausgasemissionen entfallen auf den Verkehrssektor, das benennt auch die Vorlage. Darüber hinaus macht sie aber leider keine konkreten Angaben, wie wir diese Emissionen senken werden. Vielleicht auch, weil das Einsparungspotential im Verkehr zu nutzen, bedeutet, sich bei vielen in der Stadt unbeliebt zu machen.

 

Denn es erfordert  eine aktive Zurücksetzung des Autoverkehrs zugunsten einer Stärkung des Umweltverbundes.

Wir werden nicht darum herum kommen innerstädtische Parkplätze zu reduzieren und deutlich zu verteuern, auch die Anwohnerparkausweise können nicht länger für 30€ verschleudert werden, wir werden Fahrspuren für Autos sperren und für Busse und Fahrräder zur Verfügung stellen müssen, werden massiv in den Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs investieren müssen, ob Straßenbahn oder S-Bahn und vor allem können wir nicht länger im ÖPNV die Ticketpreise erhöhen, wenn wir die Menschen doch zu Umstieg bewegen wollen!

 

Haben wir hier und hat auch die Verwaltung den Mut für diese notwendigen Schritte?

 

Ich bin jetzt lange genug im Gemeinderat, um festgestellt zu haben, dass Verwaltungen in der Regel keine schnellen, windschnittigen Segelyachten, sondern eher riesige, träge Pötte sind, die nur schwer von einem einmal eingeschlagenen Kurs abzubringen sind.

 

Es sei denn - eine Akutsituation oder Krise macht das notwendig. 2015 als auf einen Schlag viele Geflüchtete zu uns kamen und untergebracht werden musste, haben wir alle die Geschwindigkeit und Effizienz der Verwaltung mit viel Erstaunen beobachten können.

 

Es wird deshalb Zeit, dass wir die Klimakrise als das betrachten, was sie ist: eine Krise! Und zwar eine akute, die schnelles und entschlossenes Handeln erfordert, auch und gerade von der Stadtverwaltung!

 

Die Zeit des Zögerns, Zauderns und auf-den-Sankt-Nimmerleinstag-Verschiebens ist vorbei, in diesem Jahrzehnt geht es nicht mehr vorrangig um das Erforschen, Messen und Konzeptionieren von Klimaschutzmaßnahmen - die nächsten Jahre, müssen Jahre des Handelns, Jahre der Umsetzung und Jahre der Tat werden!

Auch in Ulm!

 

Sie schreiben in der Beantwortung unseres 10-Punkte-Programms, dass Sie für die Radverkehrsoffensive mehr Personal und mehr Geld benötigen. Bitte machen Sie das konkret und wir werden es Ihnen zur Verfügung stellen! Für das Thema City-Logistik gilt das ebenso.

 

Wirksame Klimaschutzmaßnahmen dürfen auch nicht an der anstehenden Haushaltskonsolidierung scheitern.

 

Denn Schulden sind nicht nur etwas, das in Finanz- und Haushaltsplänen steht, sondern wir schulden unseren Kindern und Enkeln auch eine bewohnbare Erde!

Oder was sind volle Kassen noch wert auf einem zerstörten Planeten?

 

Das 1,5-Grad Ziel und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten müssen handlungsleitend sein für politische Entscheidungen. Überall und auch hier in Ulm und das nicht nur für die Klimaschutzaktivitäten, sondern für alle Entscheidungen! Und wie sich beispielsweise der achtspurige Ausbau der Adenauerbrücke mit dieser politischen Leitlinie in Einklang bringen lassen soll, dass müssen Sie uns mal erklären! Von unserer Seite aus, können wir  jedenfalls schonmal massiven Widerstand gegen dieses Vorhaben ankündigen!

 

 

Der heute vorgelegten GD zum Klimaschutz in Ulm stimmen wir selbstverständlich in allen Punkten zu, aber wir müssen unsere Anstrengungen weit über das hier vorgelegte Programm intensivieren!

Wir beantragen daher zusätzlich noch die Abstimmung folgender Punkte, die sich aus der Vorlage ergeben, oder die wir im Antrag 204/20 aufgeführt haben:

 

⁃ Aufforderung an den Hauptausschuss, der SWU den Auftrag zu geben, das Programm für PV an Privatdächern so auszubauen, dass die Kapazität für alle Anfragen ausreicht

 

⁃ Aufforderung an den Hauptausschuss, der SWU den Auftrag zu geben, bis Ende 2025 aus der Kohle auszusteigen

(beides können wir nur als Aufforderung beschließen, weil nach der Hauptsatzung ein anderer Ausschuss zuständig ist, aber meist folgt er uns ja)

 

⁃ Die Einführung des 365-Euro-Tickets im Stadtgebiet

 

⁃ Das Vorantreiben des City-Logistik-Konzepts, ggf. mit Aufstockung des Personals, wenn notwendig