Haushalt 2025 - Rede Stadträtin Lena Schwelling

© Gruene Fraktion Ulm
Gemeinderat 18.12.2024
Rede zum Haushalt von Stadträtin LenaSchwelling
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Frau Bürgermeister
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
die letzten Haushaltsberatungen fanden
nicht wie üblich vor einem Jahr statt, sondern zu Beginn dieses Jahres. Es
zeichnete sich schon ab, dass 2024, obwohl damals noch sehr jung, kein leichtes
Jahr werden würde. Wir befanden uns, als wir den Haushalt auf den Weg gebracht
hatten, kurz vor der Hochphase der Bauernproteste, Trump hatte die erste
Vorwahl gewonnen, in Potsdam hatten sich Menschen in einer Villa getroffen, um
über die Ausweisung von Menschen mit internationalen Wurzeln zu beraten, die
Lokführer hatten mit ihrem Streit das Land lahmgelegt, die Inflation war
anhaltend hoch und in Eggingen stand für alle sichtbar ein Galgen, an dem eine
Ampel aufgehängt worden war.
Politik beginnt mit der Betrachtung der
Wirklichkeit.
Tut man das dieses Jahr, kann einem fast schwindlig
werden. 2024 wird uns in Erinnerung bleiben als eines dieser Jahre, in dem
geballt so viel passiert ist, wie in vielen anderen zusammen nicht.
Noch immer wütet Putin mit seinem
Angriffskrieg in Europa, Donald Trump ist erneut zum Präsidenten der USA
gewählt worden, die Klimakrise zeigt sichtbare Auswirkungen auch bei uns, wie
das Hochwasser im Juni, die Kommunalwahl hat dazu geführt, dass inzwischen hier
Menschen sitzen, die das Gedankengut der Potsdamer Konferenz versuchen, an den
Ratstisch zu tragen, die Inflation ist nach wie vor bedrückend hoch, die
wirtschaftliche Lage verfinstert sich zusehends und die Bundesregierung ist
zerbrochen, der Kanzler hat die Vertrauensfrage verloren und wir stehen vor
vorgezogenen Neuwahlen.
Was ist eigentlich unsere Rolle als Stadt
in solchen Zeiten? Was wird von uns als Kommunalpolitik erwartet? Welche
Antworten müssen wir geben und welchen Beitrag leisten?
Wir sind der Nahbereich der Menschen.
Unsere Entscheidungen wirken sich am unmittelbarsten auf das Leben der
Bürgerinnen und Bürger aus und darin, davon von ich überzeugt, liegt unsere
wichtigste Aufgabe.
Wir können nicht den Krieg in der Ukraine
beenden, oder die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen und
glücklicherweise werden wir auch nicht mit Donald Trump über die Zukunft der
NATO oder Einfuhrzölle verhandeln müssen.
Aber wir können dafür sorgen, dass der
Alltag der Menschen ein guter ist. Indem wir für eine Stadt sorgen, die einfach
funktioniert. Mit Kitas, deren Öffnungszeiten verlässlich sind, Bussen und
Straßenbahnen, die pünktlich fahren, Quartieren, in denen Anlaufstellen für
jeden vorhanden sind, Brücken, die befahr- und begehbar sind und einer
Verwaltung, die ihre Aufgaben gut erfüllen kann.
Das klingt nicht so spektakulär und nicht
nach viel, aber angesichts der Herausforderungen vor denen wir stehen, ist es
unendlich wichtig. Denn Sicherheit und Vertrauen entstehen genau in diesem
Nahbereich der Menschen, den wir als Stadt verantworten. Und Sicherheit und
Vertrauen sind doch das, wonach wir alle uns in solchen Zeiten am meisten
sehnen.
Dieser Haushalt, den wir heute
Verabschieden ist Ausdruck dieser Sicherheit und des Vertrauens, das eine
funktionierende Stadt geben kann. Und wie wir seit diesem Jahr auch ganz
offiziell bestätigt bekommen haben, ist Ulm nicht nur eine funktionierende
Stadt, sondern die lebenswerteste Stadt Deutschlands.
Nichtsdestotrotz: Herausforderungen, die
wir angehen müssen, bleiben genug: Eine ist die Bezahlbarkeit des alltäglichen
Lebens. Vom Wohnraum über die Lebensmittel bis zur Energie. Das belastet gerade
die Menschen mit kleinem Einkommen um ein Vielfaches. Aber die Butter für die
Vanillkipferl in der Adventszeit, die Miete oder die Heizung dürfen nicht zum
Luxusgut werden. Auch hierauf haben wir als Stadt Einfluss.
Was dieser Haushalt aber auch schonungslos
offenlegt, ist dass wir wenig Spielräume haben. Sehr wenig.
Denn nichts belastet uns so sehr und nichts
schränkt unsere Handlungsfähigkeit so ein, wie der Sanierungsstau, der sich
über die letzten Jahrzehnte angesammelt hat.
Das zeigt auch, dass Schulden nicht nur
etwas sind, dass wir in den Büchern finden, sondern dass Schulden eben auch in
marode Brücken, Straßen und Gebäuden liegen.
Unterlassene notwendige Investitionen in
die Infrastruktur, die Bildung oder den Klimaschutz sind nur verlagerte
Schulden, die die kommenden Generationen dann genauso belasten werden wie
finanzielle Schulden, das merken wir doch heute schon.
Genrationengerechtigkeit bedeutet deshalb nicht in erster Linie, denen, die nach uns kommen werden volle Kassen zu hinterlassen, sondern eben auch eine funktionierende Stadt mit Turnhalle, in die es nicht hineinregnet; Brücken, die nicht zusammenzustürzen drohen; Schulen, die eine funktionierende Lernumgebung sind und nicht zuletzt, eine Stadt, die gewappnet ist für die Auswirkungen der Klimakrise, seien es Starkregen und Hochwasser oder Hitze und Trockenheit.
Lieber Herr Finanzbürgermeister Bendel: In
Ihrer Einbringung des Haushaltsentwurfes haben Sie das Münster, bzw. die
Bauunterbrechung 1543, als Beispiel dafür herangezogen, dass man manchmal eben
auch Maß halten und sich von den hochgesteckten Zielen verabschieden muss, wenn
das Geld knapp wird.
Ich fand das… sagen wir mal… sehr mutig von
Ihnen, ausgerechnet den Münsterbau als Beispiel für Vernunft, Maß und Mitte und
sogar Sparsamkeit heranzuziehen.
Ich bin Ihnen aber sehr dankbar dafür, dass
Sie es gemacht haben, denn eine bessere Vorlage für meine Erwiderung hätten Sie
mir nicht bieten können. ;-)
Schauen wir einmal zurück auf den Beginn des
Münsterbaus:
Im ausgehenden Mittelalter hatte Ulm nur
knapp 10.000 Einwohner, aber da die alte Pfarrkirche vor den Toren der Stadt
lag und es in diesen kriegerischen Zeiten nicht immer möglich war, die
schützenden Stadtmauer zu verlassen, haben die Bürger 1377 entschieden, eine
neue Kirche im Zentrum der Stadt zu bauen.
Und was für eine! Keine sparsame, kleine,
bescheidene Kapelle lieber Herr Finanzbürgermeister, sondern ein riesiges
gotisches Meisterwerk, in dem mehr als doppelt so viele Menschen Platz finden
sollten, als die Stadt damals Einwohner hatte.
Und kein Bischof oder Fürst sollte dieses
Bauwerk für sich beanspruchen können, sondern die Ulmer wollten, als Ausdruck
ihres städtischen Selbstbewusstseins, den Bau ihrer Bürgerkirche selbst
finanzieren.
Im Grunde war das ein größenwahnsinniges
Projekt. Im Übrigen keineswegs eines, das zu Baubeginn auch nur ansatzweise
duschfinanziert gewesen ist.
Doch das, was die Ulmer schon immer
auszeichnet ist, dass sie eben nicht nur den Mut zu großen Visionen haben,
sondern auch die Bodenständigkeit, diese umzusetzen.
Das ist es doch, wofür das Münster steht,
für diesen besonderen Ulmer Geist.
Und ich bin überzeugt, gerade in Zeiten wie
unseren, die von Unsicherheiten, Zweifeln und Krisen geprägt sind, gerade in
solchen Zeiten, müssen wir uns an diesen besonderen Ulmer Geist aus mutigen
Entscheidungen und bodenständiger Umsetzungskraft halten. Ich habe übrigens den
Eindruck, dass uns das im Miteinander von Gemeinderat und Verwaltung gar nicht
so schlecht gelingt.
Wir liefern verlässlich die mutigen Ideen
und Sie setzen Sie, trotz aller Herausforderungen, ebenso verlässlich um. Wie
beispielsweise den Theateranbau. Ich bin sehr froh, dass wir uns hier nicht von
unserer großen Vision verabschieden müssen, sondern einen Weg gefunden haben,
sie umzusetzen und möchte dafür ganz besonders Mia Jeremic und ihrem Team vom
Gebäudemanagement danken, die beweisen haben, dass unser besondere Ulmer Geist
aus Vision und Bodenständigkeit eben sehr lebendig ist.
So machen wir einfach alle gemeinsam weiter und in diesem Sinne freue ich mich sehr auf das kommende Jahr.
Zum Schluss möchte ich mich bedanken, bei all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Haushalt vorbereitet haben; den Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen, dank deren Steuereinnahmen wir überhaupt Geld zum Ausgeben haben und meiner Mutter. Sie ist dieses Jahr in Ulm geblitzt worden und ich habe ihr daraufhin zugesichert, dass ich es in der Haushaltsrede dankend erwähnen werde, dass sie so auch einen kleinen Beitrag zu unseren städtischen Finanzen geleistet hat.